Der Wunsch, Schlagzeug spielen zu dürfen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Ich kann mich jedenfalls an keine Zeit erinnern, in der ich nicht trommeln wollte.
Wahrscheinlich ist das so etwas wie ein Urinstinkt, der verkümmern oder erblühen kann. Wenn man als Kind niemals ein tolles Schlagzeug gesehen hat, oder einen Drummer live bei seinem Handwerk beobachten durfte, bleibt der Wunsch eventuell ein schlummerndes Samenkörnchen. Deshalb: passt auf, mit was eure Kinder in Berührung kommen – sie könnten davon begeistert sein!
Wenn ich richtig schätze und berechne, muss ich etwas fünf Monate alt gewesen sein, als die ersten Pauken, Marschtrommeln und Becken vor meiner Nase entlang tanzten. Fasching! Natürlich kann sich niemand erinnern, aber ich würde meine Hand ins Feuer legen, dass meine Mutter es sich nicht hat nehmen lassen, zur Straßenfasnacht zu gehen. Säugling hin oder her. Und vielleicht wurde da der Grundstein gelegt. Eine angetrunkene Marschkapelle kann auch mal anständig grooven (Kapelle in Süddeutschland = handwerklich solide, angetrunken = relaxed, Marsch = Downbeat+Downbeat!). In den folgenden Jahren war ich notgedrungen das kleine Anhängsel bei jeder Party, regelmäßigen Live-Konzerten der damals sehr aktiven Rock-Szene und vielen Geburtstags- und Hochzeitfeiern. Somit gedieh das Samenkörnchen des Lautstärke liebenden Urkorns. Ich will Schlagzeug spielen! Nun muss man Eltern generell zugestehen, dass der Wunsch, die musische und poetischen Fähigkeiten des Kindes schulen zu wollen, nicht in erster Linie Schlagzeugspielen auf den Tisch bringt. Die Nebeneffekte eines trommelnden Kindes sind ja nicht unerheblich.
So oder so, ich durfte tatsächlich nach langem Hin und Her in den Schlagzeugunterricht.
Zuvor jedoch musste ich mich zwei Jahre lang an einem „richtigen“ Instrument beweisen.
Ich bin dafür sehr dankbar, denn es hat mir die Ohren geöffnet und viele musikalische Aspekte hätten sich mir vermutlich nie erschlossen, wäre ich nie mit Instrumenten in Berührung gekommen, mit denen man in erster Linie Harmonie und Melodie erzeugt.
Nun komme ich zur eigentlichen Erkenntnis: auch ein Drumset ist ein Harmonie- und Melodie-Instrument. Das zu verstehen, hat lange gedauert, aber je mehr ich mich mit anderen Instrumenten beschäftige, desto klarer wird mir, was mein Hauptinstrument eigentlich alles kann.
Musik runtergebrochen auf drei Komponenten: Harmonie, Melodie, Rhythmus.
Definieren und abstrahieren wir diese Begriffe:
Harmonie –> Atmosphäre, Farbe, Stimmung
Melodie –>Erzählung, fortlaufender Inhalt
Rhythmus –>Bewegung, Zeitrelation, Puls, Kraft
Dazu kommen Begriffe wie bsw. Dynamik, Sound, Spannung, die meines Erachtens alle eine oder mehrer der oben genannten Haupt-Komponenten unterstützen.
Wenn man sich nun mit dieser „List of Skills“ an unser Instrument setzt, sieht die Welt doch plötzlich ganz anders aus, oder? Der Drummer spielt keinen C-Dur-Akkord und übernimmt auch nicht den Melodie-Part bei Carmina Burana – keine Sorge. Aber wir erzeugen und wechseln Stimmungen, erzählen Geschichten, bewegen das Rad der Zeit.
Das Schlagzeug ist ein richtiges Instrument. Wir dürfen diesen Gedanken zulassen.
Vielleicht ist es sogar das richtigste Instrument überhaupt. Für mich auf jeden Fall!