Ich liebe Pizza. Ich liebe Sonnenschein. Ich liebe Dur-Akkorde. Ich liebe Pianissimo. Ich liebe Asterix.

Und trotzdem will ich nicht den ganzen Tag in der Sonne sitzen, Pizza essen, dazu Asterix Hefte lesen und ganz leise Musik in Dur anhören.

Nach spätestens einer Stunde brauche ich auch mal Schatten. Die dritte Pizza in Folge bekommt schon deutlich weniger Applaus. Was würde ich dafür bezahlen, wenn auch nur ein Fortissimo-Moll-Akkord dazwischen erklingen würde?! Nach einer Woche ausschließlich Asterix ist mein Gehirn einfach ausgezogen und ich sitze sabbernd und starrend auf dem Sofa.

Monotonie ist eine der grausamsten Strafen. Im Gefängnis weiß man das schon lange. Graue Wände, immer die gleichen Abläufe, immer das gleiche Essen, immer die gleichen Menschen. Nicht wenige „frei“ Menschen fühlen sich gezwungen, ihren vermeintlichen Alltag für sich genauso einzurichten, wie es Vollzugsbeamte mit ihren Sträflingen machen. Monotonie steht für Bewegungslosigkeit. Monotonie steht für Zwang. Jeden Tag feiern gehen, kann auch sehr monoton sein.

Der Zwang kann von außen kommen. In vielen Fällen kommt der Zwang jedoch von uns selbst. Wir ignorieren das Geschenk der Entscheidung. Jeden Moment können wir uns neu entscheiden, ob unser Pendel hängt oder lebendig ist und schwingt.

Spannung und Entspannung – darum geht es im Leben (und somit auch in der Musik) doch immer.

Das wussten schon die alten Chinesen mit ihrem Ying und Yang – Schwarz und Weiß. Im Weißen ist auch das Schwarze enthalten und umgekehrt. Es geht darum, zwischen diesen beiden Extremen zu pendeln, eine Balance zu finden. Die Zeit spielt dabei eine wesentliche Rolle. Wir stehen niemals still. Wir sitzen nicht in vollkommener Ausgewogenheit auf einem Kissen im Himalaya und das Universum kuckt uns zu. Auch wenn wir uns nicht bewegen, läuft die Zeit einfach weiter.

Wir sind Teil der natürlichen Zeitabläufe: Tage, Mondphasen, Jahre.

Stimmt die Balance innerhalb des jeweiligen Ablaufs, dann sind wir glücklich und geistig und körperlich fit. Dazu kommen die persönlichen Relationen. Eine zwanzigjährige Studentin hat andere konditionelle, finanzielle und verpflichtende Bedingungen als ein fünfzigjähriger Büroangestellter mit vier Kindern. Bedürfnisse und Ruhepunkte werden unterschiedlich aufgefasst. Was der Eine als ausgewogen empfindet, kann für die Andere extrem spannend oder extrem langweilig sein.

Extreme sind immer eine Herausforderung und anstrengend.

Und deshalb sind sie so sehr in Relation zu den Umständen zu sehen.

Es ist alles erlaubt, solange die Waagschalen rechtzeitig in Einklang gebracht werden. Das gilt für den Bauarbeiter genauso wie für den Schlagzeuger. In der Musik ist die Dynamik dafür verantwortlich, ob etwas als „lebendig“ empfunden wird. Dynamik hält Musizierende und Zuhörende in Balance. Alles ist erlaubt. Auch hier ist die Relation ausschlaggebend. Darf ich bei einem kleinen Akustik-Konzert volle Kanne reinhauen? – Ja, natürlich! Aber eben nur ganz kurz, vielleicht ein Schlag, oder vier Schläge, dann muss ich raus aus dem Extrem. Wenn nicht, provoziere ich ein Ungleichgewicht mit dem ich leben muss.

Mit diesen vier Schlägen habe ich aber eine Spannung erzeugt, auf die eine höchstwillkommene Entspannung folgt. Es wird interessant. Das Publikum ist aufmerksam und merkt, dass da etwas Interessantes im Gange ist. Selbst wenn es an diesem Abend nie mehr laut werden sollte – alleine die Gewissheit, dass es passieren könnte, genügt, um die Spannung aufrecht zu halten. Hätte ich die vier Schläge nicht gemacht, wäre es ein nettes Konzertchen mit wenig, im schlimmsten Fall sogar ohne, Spannung geblieben.

Wer dynamisch lebt, dynamisch musiziert, nach Dynamik sucht, dynamisch denkt, der nimmt sich selbst wahr und wird wahrgenommen. Dafür braucht es ein bisschen Schneit und weniger Angst vor vermeintlicher Haltlosigkeit und dem Moment, in dem einen alle anschauen.

Hab Mut zur Dynamik in deinen Relationen.

Wenn das Leise auch ab und zu vorbeischaut, ist das Laute umso schöner!